Bedürfnisorientierte Erziehung an 10 Beispielen erklärt

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Bedürfnisorientierte Erziehung ist ein pädagogischer Ansatz, der die individuellen Bedürfnisse und Gefühle von Kindern erkennt und bindungsorientiert begleitet. Statt starren Regeln und autoritären Maßnahmen setzt die bedürfnisorientierte Erziehung auf Empathie, Nähe, Wertschätzung, Kommunikation und Respekt. Hierbei geht es darum, den Gefühlen und Bedürfnissen der Kinder Raum zu geben, ihnen zuzuhören und ihre Perspektiven ernst zu nehmen. Ebenso werden auch die eigenen Bedürfnisse der Eltern sowie ggf. die Bedürfnisse der Geschwisterkinder wahr- und ernst genommen. Teil des Erziehungskonzeptes ist daher auch, Kompromisse zu finden, mit denen alle Familienmitglieder glücklich sind.

Gut zu wissen: die Begriffe bindungsorientierte Erziehung, bedürfnisorientierte Erziehung und attachment parenting werden meist synonym verwendet. Auch das Wort beziehungsorientiert wird oft gleichgesetzt.

Da wir selbst unsere Kinder überwiegend bindungs- und bedürfnisorientiert erziehen, möchten wir unsere Erfahrungen in diesem Beitrag teilen. Und anhand von zehn Beispielen erklären, wie diese Erziehungsform in der Praxis aussehen kann.

Bedürfnisorientierte Erziehung Mutter-Kind-Bindung
Eine bedürfnisorientierte Erziehung beginnt bereits mit der Geburt. Ein wesentlicher Bestandteil ist eine enge Bindung zwischen Mutter und Kind.

Was bedeutet bedürfnisorientierte Erziehung?

Die bedürfnisorientierte Erziehung (Englisch „attachment parenting“) beruht auf der Überzeugung, dass Kinder sich am besten entwickeln, wenn ihre emotionalen und physischen Bedürfnisse erfüllt werden. Bedürfnisse werden erkannt, besprochen und nach Möglichkeit erfüllt. Dabei geht es oft darum, das eigentliche Bedürfnis zu erkennen, das hinter einem Wunsch oder Verhalten steckt.

Im Wesentlichen dreht es sich meist um die folgenden Bedürfnisse:

  • Aufmerksamkeit (meist daran erkennbar, dass dein Kind Blödsinn macht oder dich nervt)
  • Selbstbestimmung / Selbstständigkeit (wenn dein Kind Dinge unbedingt allein machen möchte)
  • Nähe / Körperkontakt (z.B. wenn dein Kind quengelt, besonders anhänglich ist oder dich oft berührt)
  • Trost (oft daran erkennbar, dass dein Kind viel Theater um Kleinigkeiten macht)
  • Ruhe (z.B. wenn dein Kind auf nichts Lust hat) sowie
  • Mehr Zeit (typischerweise, wenn dein Kind besonders viel Zeit für Dinge benötigt)
Bindungsorientierte Erziehung Bedürfnisse Babys Kleinkinder
Insbesondere die Bedürfnisse nach Aufmerksamkeit und Selbstbestimmung sind bei Kindern meist stark ausgeprägt. Sie gehören daher auch zu den häufigen Ursachen für Wutanfälle.

Insgesamt zielt die bedürfnisorientierte Erziehung darauf ab, Kindern ein gesundes Selbstbewusstsein, soziale Kompetenzen, Selbstregulation und ein positives Verhältnis zu ihren Eltern zu vermitteln. Sie betont die Wichtigkeit von Bindung und Vertrauen in der Eltern-Kind-Beziehung und schafft eine Umgebung, in der Kinder sich sicher und respektiert fühlen. Hierdurch wird das Urvertrauen gestärkt, wodurch Kinder ein gutes Selbstwertgefühl entwickeln können.

Da die Eltern-Kind-Bindung ein zentraler Aspekt ist, spricht man bei bedürfnisorientierter Erziehung oft auch von bindungsorientierter Erziehung. Kurz zusammengefasst:

Bedürfnisorientierte Erziehung bedeutet, die individuellen Bedürfnisse und Gefühle des Kindes zu erkennen, ernst zu nehmen und darauf einzugehen. Hierbei wird eine starke Eltern-Kind-Bindung aufgebaut, auf Empathie und respektvolle Kommunikation gesetzt und auf autoritäre Maßnahmen verzichtet.

Weitere Merkmale und was bedürfnisorientiertes Erziehen nicht bedeutet

Ein weiteres Merkmal ist die Vermeidung von Strafen und Belohnungen. Konflikte und Herausforderungen werden stattdessen als Gelegenheiten zur Kommunikation und zum gemeinsamen Lernen betrachtet. Kinder werden ermutigt, Verantwortung für ihr Verhalten zu übernehmen und gemeinsam mit den Erwachsenen nach Lösungen zu suchen.

Zudem berücksichtigt die bedürfnisorientierte Erziehung auch die körperlichen Bedürfnisse von Kindern. Hierzu zählen insbesondere ausreichend Schlaf, eine gesunde Ernährung und viel Bewegung.

Bewegung Kinder Bedürfnisse
Auch körperliche Bedürfnisse wie ausreichend Bewegung stehen bei der bedürfnisorientierten Erziehung im Fokus

Bedürfnisorientierte Erziehung bedeutet jedoch nicht, dass es keine Regeln und Grenzen geben darf. Kindern muss auch nicht jeder Wunsch ausnahmslos erfüllt werden. Stattdessen sollen Wünsche und Bedürfnisse erkannt, besprochen und von den Eltern begleitet werden.

Wo du mehr über bedürfnisorientierte Erziehung lernen kannst

Da wir selbst in unserer Kindheit oft nicht bedürfnisorientiert erzogen wurden, fehlt uns überwiegend Wissen hierzu. Was uns selbst anders vorgelebt wurde, müssen wir aktiv ablegen und Raum für Neues schaffen. Hierfür gibt es verschiedene Angebote, in denen du mehr zu bindungs- und bedürfnisorientierter Erziehung lernen kannst. Einige unserer persönlichen Favoriten sind:

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Bindungsorientierte Erziehung Mutter-Kind-Bindung Hände
Eine enge Eltern-Kind-Bindung nimmt beim attachment parenting eine zentrale Rolle ein. Während speziell zu Beginn ein enger Körperkontakt wichtig ist, steht später vor allem eine gute Kommunikation im Vordergrund. Wie dir dies gelingt, kannst du z.B. in Podcasts, Büchern und Interviews lernen.

Bedürfnisorientierte Erziehung in der Praxis: 10 Beispiele

Um das theoretisch beschriebene Erziehungskonzept besser greifbar zu machen, stellen wir nachfolgend 10 Beispiele vor. Hieran siehst du, wie bedürfnisorientiertes Erziehen in der Praxis aussehen kann. Dabei stehen einige zentrale Fragen im Fokus:

  • Wie fühlt sich die Situation aus der Sicht meines Kindes an und was braucht es jetzt, um sich ernst genommen und verstanden zu fühlen?
  • Warum verhält sich mein Kind gerade so? Welches Bedürfnis bringt es damit zum Ausdruck?
  • Wenn ich selbst wieder Kind wäre, was würde ich mir von meinen Eltern in dieser Situation wünschen?
  • Wie können wir gemeinsam eine Lösung finden, mit der alle (dein Kind, aber auch du selbst) einverstanden sind?

Aus unserer Erfahrung macht eine bedürfnisorientierte Erziehung das Leben auch für Eltern leichter. Daher möchten wir nachfolgend Beispiele geben, die für uns meist gut funktionieren. Bitte verstehe die Beispiele aber nicht als Patentrezept oder „Besser-Wisser-Tipps“. Denn wir wissen: jedes Kind ist anders und nicht immer funktioniert alles gleich. Stress, Müdigkeit, Krankheit und Ähnliches beeinflussen vieles. Aus unserer Erfahrung sorgen die nachfolgenden Beispiele jedoch dafür, dass der Familienalltag insgesamt harmonischer und stärker auf Augenhöhe gelingt.

Attachment parenting Vater-Sohn-Bindung
Ein respektvoller Umgang, bei dem die kindlichen Bedürfnisse ebenso relevant sind wie die eigenen, ist einer der Grundpfeiler der bindungsorientierten Erziehung

#1: Rechtzeitig und selbstbestimmt das Ende festlegen lassen, statt abrupt zu beenden

Diese Situation kennen wohl viele Eltern: ihr müsst (oder wollt) jetzt los. Vielleicht, weil ihr einen Termin habt und die Zeit nun drängt. Vielleicht aber auch, weil du selbst keine Lust mehr hast oder die (selbst auferlegte) Schlafenszeit für das Kind immer näherrückt. Dein Kind spielt jedoch gerade und möchte damit nicht aufhören. Deine Worte „Wir gehen jetzt!“ führen in der Regel zu einem wütenden „Nein!“ bei deinem Kind.

Aus Sicht deines Kindes: das Spielen macht Spaß. Deshalb möchte es gerne weiterspielen. Von jetzt auf gleich aufzuhören, gefällt ihm nicht.

Stell dir vor: dir würde jemand sagen, dass du jetzt sofort aufstehen musst. Dir das Handy einfach wegnehmen. Das Buch zuschlagen, ohne dich zu Ende lesen zu lassen. Würde dir das gefallen? Vermutlich nicht. 😉

Eine bedürfnisorientierte Erziehung kann sein: sage deinem Kind rechtzeitig Bescheid, dass die Spielzeit bald endet. Dass es nun noch dreimal rutschen, einmal wippen und einmal schaukeln kann. Oder (je nach Alter deines Kindes): lasse es selbst die Zahl nennen, wie oft es noch rutschen möchte. Wenn die Zahl zu hoch ist, könnt ihr ggf. verhandeln und euch in der Mitte einigen.

Frage dein Kind zudem, ob es etwas gibt, das es vor dem Heimgehen sonst noch auf dem Spielplatz machen möchte. Findet auf diese Weise gemeinsam einen Weg, bei dem dein Kind mitbestimmen kann. So fühlt es sich gesehen und ernst genommen. Bleibe dann bis zum Ende bei deinem Kind und begleite es bei den letzten Aktivitäten, statt aufs Handy zu schauen oder mit anderen Eltern auf dem Spielplatz zu sprechen. Die gemeinsame Zeit auf dem Spielplatz erleichtert deinem Kind das darauffolgende Gehen, das ebenfalls gemeinsam erfolgt.

So kann sich dein Kind aufs Ende der Spielzeit vorbereiten und darf mitbestimmen.

Spielplatz Schaukel Mitbestimmung
Mitbestimmung kann aus unserer Erfahrung helfen, das Lösen vom Spielplatz zu vereinfachen

Auch Erklärungen sind wichtig

Erkläre zudem, warum ihr bald gehen müsst oder wollt. Und weshalb es dir wichtig ist, dass ihr bald aufhört bzw. geht. Zum Beispiel: „Ich möchte, dass wir gleich nach Hause gehen, damit du rechtzeitig schlafen kannst. Mir ist wichtig, dass du morgen ausgeschlafen bist, damit du dich im Kindergarten fit fühlst und mit den anderen Kindern spielen kannst. Natürlich verstehe ich, dass du gerne noch weiterspielen möchtest. Lass uns deshalb gemeinsam überlegen, was du noch machen möchtest, bevor wir nach Hause gehen.“ Das versteht dein Kind in der Regel besser als ein „Wir gehen jetzt! Du musst ins Bett.“

Spielplatz Rutsche Vater
Eine verständliche, erklärende Kommunikation mit Ich-Botschaft hilft deinem Kind dabei, das Heimgehen besser zu akzeptieren. Aus unserer Erfahrung kann es zudem auch hilfreich sein, zum Schluss noch ein spaßiges Highlight einzubringen. Z.B. indem du selbst noch einmal mit rutscht.

#2: Mit Ich-Botschaften sprechen, die eigenen Bedürfnisse kommunizieren und erklären

Im vorherigen Abschnitt hast du vielleicht schon gemerkt, dass die Erklärung als Ich-Botschaft formuliert ist. „Ich möchte“ oder „mir ist wichtig, dass …“ hilft deinem Kind dabei, dich besser zu verstehen. Durch die Formulierung aus Ich-Perspektive kann dein Kind erkennen, dass es sich um einen Wunsch bzw. ein Bedürfnis handelt, das dir wichtig ist. Indem du deine Wünsche als Ich-Botschaft formulierst, fließen deine Gefühle mit ein. Dies macht dich offener und dadurch in gewisser Hinsicht auch verletzlicher. Genau das schafft Bindung, Nähe und Vertrauen zwischen dir und deinem Kind.

Du vermittelst, dass Bedürfnisse wichtig sind, indem du sie kommunizierst. Auch dein Kind lernt dadurch, seine eigenen Bedürfnisse auszudrücken, da du es vorlebst. Am nachfolgenden Beispiel kannst du sehen, wie unterschiedlich die kommunikative Wirkung ist. Nehmen wir an, dein Kind soll sein Zimmer aufräumen. Es hat aber keine Lust und dich verärgert dies.

Erster Impuls: „Räum jetzt bitte endlich dein Zimmer auf. Muss das jedes Mal wieder Diskussionen und Theater geben?“

Mögliche Kommunikation mit Ich-Botschaft als bedürfnisorientierte Erziehung: „Ich wünsche mir, dass du dein Zimmer aufräumst. Mir ist Ordnung wichtig, weil ich mich dann wohler fühle und niemand über das herumliegende Spielzeug fallen kann. Möchtest du lieber allein aufräumen oder sollen wir das gemeinsam machen?“

Mit welcher Variante würdest du selbst das bessere Gefühl verspüren und mehr Lust zum Aufräumen entwickeln?

Bindungsorientierte Erziehung Kommunikation
Eine erklärende Kommunikation, die du aus Ich-Perspektive formulierst, hilft deinem Kind oft am besten dabei, Dinge zu verstehen und umzusetzen

#3: Trost spenden statt „Indianer kennen keinen Schmerz“

Kinder fallen hin und verletzten sich. Sie weinen, weil sie sich wehgetan oder erschrocken haben. Diese Situation kennen alle Eltern. Vielleicht kommen dir dabei schnell Sätze in den Kopf, die du als Kind möglicherweise selbst oft gehört hast. Dinge wie:

  • „Ist doch nicht schlimm. Nichts passiert.“
  • „Du musst nicht weinen. Es wird gleich wieder besser.“
  • „Indianer kennen keinen Schmerz!“
  • „Nun hör mal auf zu weinen. Du bist doch schon öfter hingefallen, so schlimm kann es doch nicht sein.“

Aus Sicht deines Kindes: es ist etwas Unvorhergesehenes passiert, das wehgetan oder für Unsicherheit gesorgt hat. Dein Kind sucht Trost und Zuwendung, um sich wieder sicherer zu fühlen.

Stell dir vor: du selbst stößt dir den Zeh am Stuhlbein. Der Schmerz zieht durch deinen Körper, auch wenn kein Blut fließt und die Schmerzen für andere nicht sichtbar sind. Möchtest du nun hören, dass Indianer keinen Schmerz kennen? Oder möchtest du ernst genommen werden mit deinen Schmerzen und würde es helfen, kurz in den Arm genommen zu werden?

Eine bedürfnisorientierte Erziehung kann sein: das Bedürfnis nach Trost und Zuwendung zu erkennen und zu erfüllen. Nimm dein Kind in den Arm oder auf den Schoß und verhalte dich fürsorglich und verständnisvoll. Frage danach, wo genau es deinem Kind wehtut. So fühlt es sich ernst genommen und verstanden. Lasse dein Kind entscheiden, wie lange es getröstet werden möchte, statt von dir aus darauf zu drängen, dass es weiterspielt.

Bedürfnisorientierte Erziehung Trost spenden
Trost zu spenden, gehört zu den wichtigsten Bindungselementen zwischen Eltern und Kind. Während wir dies bei Babys meist instinktiv umsetzen, kann es mit steigendem Kindesalter etwas verloren gehen.

#4: Bedürfnisorientierte Erziehung mit Kompromissen statt Perfektionismus

Insbesondere, wenn du mehrere Kinder hast, gehören Kompromisse zum Familienalltag hinzu. Dies gilt bei einer bedürfnisorientierten Erziehung ganz besonders. Oftmals unterscheiden sich die Bedürfnisse deiner Kinder und können nur erfüllt werden, wenn du bereit dazu bist, Idealvorstellungen flexibel zu handhaben. Dies können entweder deine eigenen Idealvorstellungen oder auch gesellschaftliche Konventionen sein. Nehmen wir an, du hast zwei Kinder. Dein älteres Kind hat Hunger, während dein jüngeres Kind unausgelastet wirkt und unbedingt noch auf den Spielplatz möchte. Du selbst hattest eigentlich geplant zu kochen und dafür bereits frisches Gemüse eingekauft.

Um den Bedürfnissen deiner beiden Kinder gerecht zu werden, hast du mehrere Optionen. Du könntest das geplante Essen auf morgen verschieben und mit deinen Kindern stattdessen ein Picknick auf dem Spielplatz machen. Dann gibt es vielleicht „nur“ ein schnelles Brot statt einem frisch gekochten Abendessen. Aber beide Kinder sind (vermutlich) glücklich. Falls möglich, könntest du dir auch Hilfe organisieren. Eventuell kann Papa mit dem jüngeren Kind auf den Spielplatz gehen, während Mama zu Hause kocht. Oder natürlich auch umgekehrt. Auch ein Anruf bei Oma und Opa kann zur Unterstützung helfen.

Bedürfnisorientierte Erziehung Picknick Strand
Wir selbst werten die Bedürfnisse nach spielen und Bewegung meist höher als ein frisch gekochtes Abendessen Zuhause. Ein Picknick am Strand bedeutet vielleicht Sand am Essen, aber auch eine schöne Familienzeit, die für Bindung sorgt.

#5: Dein Kind selbst entscheiden lassen, ob es teilen möchte

Früher oder später erlebt wohl jede Familie diese Situation: die Kinder möchten mit derselben Sache spielen. Dies kommt unter Geschwistern ebenso vor wie unter Freunden oder mit fremden Kindern auf dem Spielplatz. Dein Kind sitzt mit Sandspielzeug im Sandkasten und ein anderes Kind möchte ebenfalls mit den Sachen spielen. Wir neigen meist dazu, dass Kinder teilen müssen. Doch ist dies wirklich so?

Aus Sicht deines Kindes: es sind seine Spielsachen und es möchte damit weiterspielen. Etwas abzugeben oder selbst damit aufzuhören gefällt ihm nicht.

Stell dir vor: du würdest von einer fremden Person angesprochen, die dein Handy nutzen möchte. Würdest du teilen wollen?

Eine bedürfnisorientierte Erziehung kann sein: Akzeptanz. Dein Kind möchte gerade in Ruhe gelassen werden und lieber allein spielen, als sein Spielzeug zu teilen. Das ist okay und darf so akzeptiert werden. Falls es dir selbst wichtig ist, das Spielzeug zu teilen, kannst du Lösungen vorschlagen. Das kann z.B. die Frage an dein Kind sein, ob es das Spielzeug zu einem späteren Zeitpunkt abgeben möchte, wenn es selbst mit dem Spielen fertig ist.

Kleinkind Sandspielsachen
Kinder zum Teilen zu überreden oder gar zu zwingen, ist aus unserer Erfahrung nicht immer der beste Weg. Das Kind selbst bestimmen zu lassen und als Eltern ein gutes Miteinander vorzuleben, hilft oft besser.

#6: Bedürfnisorientierte Erziehung beim Zähneputzen

Dass dein Kind von selbst das Bedürfnis entwickelt, seine Zähne putzen zu wollen, ist speziell im jüngeren Alter eher unwahrscheinlich. Die Zähne zu putzen, ist daher meist ein Bedürfnis von dir, um die Gesundheit der kindlichen Zähne zu erhalten und deiner elterlichen Pflicht nachzukommen. In vielen Familien ist das tägliche Zähneputzen alles andere als einfach. Und führt oft zu Widerstand beim Kind. Aus seiner Sicht ist es ein teils unangenehmer, körperlicher Eingriff. Wenn das Zähneputzen zwei- bis dreimal täglich zu Stress und Konflikten führt, sind Eltern verständlicherweise genervt und kommen an ihre Grenzen.

Die bedürfnisorientierte Erziehung hält hierfür z.B. folgende Vorgehensweisen für zielführend:

  • Das eigene Bedürfnis kommunizieren und erklären: „Ich wünsche mir, dass wir deine Zähne putzen. Mir ist das wichtig, damit deine Zähne gesund bleiben und du weiterhin ohne Schmerzen leckere Dinge essen kannst. Ich würde mich freuen, wenn wir das gemeinsam schaffen.“
  • Zahnputz-Rituale für mehr Sicherheit schaffen: Von klein an haben Kinder das Bedürfnis nach Sicherheit. Eine Möglichkeit, um diese Sicherheit zu gewährleisten, sind Rituale. Jeden Abend nach dem Essen gemeinsam zu einem Zahnputz-Lied zu tanzen, kann den Start des Zähneputzens erleichtern. Ein Lied, das bei vielen Kindern gut ankommt, ist z.B. die Zahnfeuerwehr. Das Lied kann als Ritual beispielsweise auch während des Zähneputzens laufen.
  • Das Zähneputzen spielerisch begleiten: Hierbei wird das kindliche Bedürfnis nach Spaß und Unterhaltung aufgegriffen. Ihr könnt euch z.B. gemeinsam ein Tier überlegen, das ihr heute sein wollt. Nach der Auswahl schlüpft ihr in die Rolle und tut Dinge, die für dieses Tier typisch sind. Die spielerische Rolle setzt sich dann im Badezimmer fort. Ihr könnt z.B. überlegen, was das Tier wohl gegessen hat, was nun weggeputzt werden muss.

Was bei bedürfnisorientierter Erziehung hingegen nicht eingesetzt wird, sind Drohungen oder Strafen. „Wenn du die Zähne jetzt nicht putzt, lese ich dir gleich nichts mehr vor“ oder „Es gibt morgen keine Schokolade mehr, wenn das Theater jetzt nicht aufhört“ sind beispielsweise Sätze, die du vermeiden solltest, wenn du bedürfnisorientiert erziehen möchtest. Auch wenn solche Drohungen bei vielen Kindern Wirkung zeigen, schaden sie meist der Bindung und dem Vertrauen zwischen dir und deinem Kind. Kinder handeln aufgrund von Angst, um die Konsequenz zu vermeiden. Du spielst in diesem Moment eine Machtstellung aus, die der Kommunikation auf Augenhöhe entgegensteht.

Zähne putzen Kinder
Das Zähneputzen kann mit Kindern zur echten Herausforderung werden. Um bindungsorientiert zu erziehen, solltest du dennoch auf Drohungen und Strafen verzichten.

#7: Nein sagen und Gefühle danach begleiten

Bei der bedürfnisorientierten Erziehung geht es nicht darum, immer ja zu sagen. Vielmehr dürfen auch Grenzen und Regeln existieren. Dein Kind darf also auch „nein“ oder „Stopp“ von dir hören. Sofern dies bei deinem Kind Gefühle wie Wut oder Trauer auslöst, ist eines jedoch besonders wichtig: dein Kind mit seinen Gefühlen zu begleiten. Es also nicht schreien zu lassen, ohne darauf einzugehen. Stattdessen ist es wichtig, deine Entscheidung zu erklären (am besten als Ich-Botschaft, siehe #2) und mit deinem Kind über seine Gefühle zu sprechen. Und es ggf. zu trösten oder den Wutanfall gemeinsam durchzustehen.

Bei einem Wutanfall kann z.B. folgendes Vorgehen helfen:

  • Begib dich zu deinem Kind auf Augenhöhe und nimm den Blickkontakt auf. Sofern dein Kind es zulässt, kannst du auch über den Rücken streicheln und den Arm liebevoll festhalten.
  • Spreche mit deinem Kind und sage ihm, dass seine Gefühle okay sind. Z.B. so: „Es ist okay, dass du wütend bist. Ich verstehe das. Wir stehen das jetzt gemeinsam durch.“ Schwierig wird es hingegen, wenn du etwas sagst wie „ist doch nicht schlimm“ oder „ist doch nichts passiert“. In diesem Fall fühlt dein Kind sich nicht ernst genommen und du vermittelst, dass seine Gefühle gerade falsch und gewollt sind.
  • Benenne selbst den Grund, warum dein Kind vermutlich wütend ist. Sage z.B. „Du bist bestimmt wütend, weil du noch weiterspielen möchtest und wir jetzt gehen müssen, oder?“ Wenn du den Grund richtig benennst, fühlt sich dein Kind von dir verstanden und wahrgenommen. Dies stärkt eure Bindung in dieser Situation und schafft Vertrauen.
  • Wenn sich dein Kind bisher nicht beruhigt hat, könnt ihr gemeinsam nach einem Ventil für die Wut suchen. Das kann z.B. ein lautes Schreien sein, das Boxen in ein Kissen oder schnelles Rennen. Was ihr braucht, ist nun eine Aktion, um die Wut-Energie loszuwerden.

Wichtig ist, dass du dein Kind nicht allein mit seinen Gefühlen lässt. Es kann sie in diesem Moment nicht selbst regulieren. Diese Fähigkeit wird im Laufe der Kindheit erst entwickelt und stellt sich ab einem Alter von ca. fünf Jahren schrittweise ein. Meist fühlt dein Kind durch ein „nein“, dass es nicht selbstbestimmt handeln kann, was in der Regel Wut auslöst. Auch als Erwachsener kann man das gut nachvollziehen, oder?

Bedürfnisorientierte Erziehung Nein sagen
Auch Grenzen und Nein sagen gehören zur bedürfnisorientierten Erziehung hinzu. Wichtig ist aber stets, dass du die Emotionen deines Kindes danach feinfühlig begleitest.

#8: Erklären, warum ihr gehen müsst, statt „sonst gehe ich ohne dich“

Vielleicht kennst du es noch aus deiner eigenen Kindheit oder hörst es auch heutzutage noch häufiger von Eltern: „Wenn du jetzt nicht kommst, gehe ich ohne dich.“ Diese Drohung erfolgt von Eltern meist aus Verzweiflung, Stress oder Hilflosigkeit, um endlich den Heimweg antreten oder einen Termin einhalten zu können. Für eine bedürfnisorientierte Erziehung solltest du auf Drohungen wie diese jedoch besser verzichten.

Denn sie basiert darauf, deinem Kind Angst zu machen und seine Situation auszunutzen. Dir und deinem Kind ist klar, dass es nicht allein zurechtkommen kann. Es braucht dich, vertraut dir und findet Sicherheit bei dir. Diese Faktoren sind Bestandteil eurer Bindung zueinander. Und genau deshalb ist es so schmerzhaft für dein Kind, wenn du damit drohst, sie zu entziehen. Erziehungswissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang auch von emotionaler Erpressung. Statt das Selbstwertgefühl deines Kindes zu stärken, übst du Macht aus. Und lebst deinem Kind damit vor, dass Machtausübung zum Erfolg führt.

Auch wenn diese Form des Angstmachens häufig funktioniert und Kinder ihren Eltern dann folgen, gibt es aus bedürfnisorientierter Sicht einen deutlich besseren Weg. Und zwar den der Erklärung. Du kannst z.B. Folgendes sagen: „Ich kann verstehen, dass du gerne noch weiterspielen möchtest. Leider haben wir gleich einen Termin und mir ist wichtig, dass wir pünktlich sind. Falls wir zu spät kommen, müssen wir an einem anderen Tag noch einmal hingehen und können wieder nicht spielen. Das wäre doch doof, oder?“

Um das Gehen zu erleichtern, kannst du es zudem rechtzeitig ankündigen und dein Kind mitbestimmen lassen, was und wie oft es vorher noch spielen möchte (siehe #1).

Bedürfnisorientierte Erziehung Geduld weglaufen
Die bedürfnisorientierte Erziehung erfordert oft mehr Geduld. Statt zu drohen, wenn dein Kind z.B. nicht gehen möchte, sind Erklärungen meist das Mittel der Wahl.

#9: Bedürfnisorientierte Erziehung durch aktive Förderung der Selbstbestimmtheit

Die meisten Kinder haben speziell zwei Bedürfnisse: Aufmerksamkeit und Selbstbestimmung (Autonomie). Genügend Aufmerksamkeit zu erhalten, ist für sie überlebenswichtig. Je jünger das Kind ist, desto hilfsbedürftiger ist es. Es benötigt deine Aufmerksamkeit, um zu überleben, zu lernen und um sich sicher zu fühlen. Dies kann manchmal nervig und anstrengend wirken. Wenn du jedoch bedenkst, was eigentlich dahintersteckt, fällt es dir vermutlich leichter, das Aufmerksamkeits-Bedürfnis deines Kindes feinfühlig und liebevoll zu erfüllen.

Auf der anderen Seite streben Kinder nach Selbstständigkeit. Sie wollen lernen und mitbestimmen, um sich zu eigenständigen Individuen zu entwickeln. Wenn sie nicht mitbestimmen können und Entscheidungen gegen ihren Wunsch getroffen werden, führt dies oft zu Wutausbrüchen. Auch als Erwachsener ist es nicht schön, wenn ständig andere über dich entscheiden und du dies eigentlich nicht willst, oder? Daher lässt sich die Wut der Kinder oftmals gut nachvollziehen.

Dennoch kannst du nicht in allen Situationen zulassen, dass dein Kind selbstbestimmt. Um alltägliche Verpflichtungen zu erfüllen, die Gesundheit deines Kindes zu fördern oder es vor Gefahren zu schützen, müssen Eltern oft Entscheidungen für ihre Kinder übernehmen. An diesen Stellen helfen Erklärungen oft weiter.

Bedürfnisorientierte Erziehung Selbstbestimmtheit begleiten
Selbstbestimmt, aber nicht allein: du kannst dein Kind auf seinen Entdeckungstouren auch begleiten, sofern es dies zulässt und wünscht

Kinder in Entscheidungen, wenn möglich, einbeziehen

Zudem kann es sinnvoll sein, dein Kind so oft wie möglich selbst entscheiden zu lassen. Und zwar in den Situationen, in denen es möglich und ungefährlich ist. Hier solltest du jedoch bedenken, dass zu viele Auswahlmöglichkeiten Kinder auch überfordern können. Je jünger dein Kind ist, desto wahrscheinlicher ist es mit zu vielen Möglichkeiten überlastet. Gut ist daher meist, wenn du zwei Dinge zur Auswahl stellst. Dies kannst du z.B. in folgenden Situationen anwenden:

  • Möchtest du heute lieber Nudeln oder Reis essen?
  • Welches Buch lesen wir gleich? Benjamin Blümchen oder das Baustellen-Buch?
  • Möchtest du lieber noch zum Spielplatz gehen oder drinnen spielen?
  • Welche Zahnpasta nutzen wir heute? Erdbeergeschmack oder Banane?

Die Liste lässt sich lange fortführen. Auch offene Fragen wie „Welches Kuscheltier möchtest du heute zum Schlafen mit ins Bett nehmen?“ sind je nach Kindesalter sinnvoll. Du wirst vermutlich schon wissen oder schnell herausfinden, welche Fragen dein Kind gut beantworten kann und welche es (noch) überfordern.

Bedürfnisorientierte Erziehung Selbstbestimmtheit Auswahl Essen
Kinder dort selbst bestimmen lassen, wo es weder gefährlich ist noch Stress erzeugt. Beim Essen kannst du deinem Kind z.B. die Wahl lassen, ob es lieber Gurke oder Tomate (oder beides) essen möchte.

#10: Wenn-dann-Formulierungen um Konsequenzen zu erklären, nicht um zu drohen

„Wenn du deine Zähne jetzt nicht putzen lässt, gibt es gleich keine Gute-Nacht-Geschichte mehr.“ Solche und ähnliche Wenn-dann-Formulierungen nutzen Eltern häufig, um ihr Ziel zu erreichen. Doch du ahnst es vermutlich schon: Solche Drohungen sind für die bedürfnisorientierte Erziehung tabu. Denn sie basieren erneut darauf, dem Kind Angst zu machen und geliebtes Ritual zu entziehen. Wenn du nicht hörst, folgt gleich eine Strafe. Oft verstehen Kinder nach solchen Formulierungen aber nicht einmal wieso.

Auch in der bedürfnisorientierten Erziehung sind Wenn-dann-Sätze aber nicht zwingend „verboten“. Sofern du sie nutzt, um Konsequenzen zu erklären, können sie durchaus ihre Berechtigung finden. Die Kommunikation erfolgt jedoch feinfühliger. In Bezug aufs Zähneputzen könnte es z.B. so klingen:

„Ich verstehe, dass du keine Lust zum Zähneputzen hast. Das fühlt sich nicht so angenehm an, stimmt's? Wir machen das ganz vorsichtig. Du weißt ja schon, dass das Putzen wichtig ist, damit deine Zähne gesund bleiben und du weiterhin leckere Sachen essen kannst. Ich wünsche mir, dass wir das Zähneputzen schnell erledigen. Falls es lange dauert, fehlt uns gleich die Zeit, um noch ein Buch zu lesen. Denn morgen müssen wir wieder früh aufstehen und du sollst dich ausgeschlafen fühlen. Können wir anfangen zu putzen, damit es mit dem Buch lesen noch klappt?“

Natürlich bieten Erklärungen keine Garantie dafür, dass dein Kind problemlos zustimmt und mitmacht. Insbesondere beim Zähneputzen am Abend spielt Müdigkeit meist eine Rolle. Dein Kind ist vom Tag vermutlich schon erschöpft. Da fällt es generell schwerer zu kooperieren. Ein möglichst gutes Timing kann hier hilfreich wirken.

Üblicherweise ist ein Kind übrigens ab einem Alter von ca. drei Jahren fähig dazu, deine Erklärungen zu verstehen. Ab etwa drei Jahren kannst du also damit beginnen, Konsequenzen zu erläutern.

Bindungsorientierte Erziehung Konsequenzen erklären
Je älter das Kind, desto besser kannst du Konsequenzen erklären. Dabei geht es nicht um Drohnungen, sondern um eine Hilfestellung, um die Auswirkung einer Handlung zu verdeutlichen.

Bedürfnisorientierte Erziehung bei Babys und Kleinkindern

Auch bei Babys und Kleinkindern kann die bedürfnisorientierte Erziehung bereits zum Einsatz kommen. Idealerweise startet sie bereits mit der Geburt. Ebenso wie bei älteren Kindern, wird auch hier darauf geachtet, was das Baby oder Kleinkind gerade fühlt und benötigt. Zudem ist speziell im ersten Lebensjahr der Bindungsaufbau zwischen Eltern und dem Kind besonders wichtig. Bei bindungsorientierter Erziehung gelingt dies speziell durch die fünf B's:

  1. Birth Bonding (möglichst textilfreier Körperkontakt zwischen Mama und Baby unmittelbar nach der Geburt)
  2. Breastfeeding (stillen)
  3. Babywearing (Babytrage bzw. Tragetuch statt Kinderwagen)
  4. Bed Sharing (Co-Sleeping im Familien- oder Beistellbett)
  5. Belief in Baby’s Cries (wenn das Baby schreit, hat es ein unerfülltes Bedürfnis wie Hunger oder Müdigkeit, um das sich die Eltern umgehend und sorgsam kümmern sollten)

Wir selbst haben speziell mit dem Tragen unserer Kinder gute Erfahrungen gemacht. Als günstige, einfache Babytrage können wir die Marsupi Trage empfehlen. Sie eignet sich bis zu einem Alter von ca. acht bis neun Monaten. Im Anschluss oder alternativ auch von Beginn an ist aus unserer Erfahrung zudem die Ergobaby Omni 360 empfehlenswert.

Bindungsorientierte Erziehung Babytrage Körperkontakt
Regelmäßiger, enger Körperkontakt ist im Rahmen der bindungsorientierten Erziehung im Baby- und Kleinkindalter ein Element zum Bindungsaufbau. Mit einer Babytrage ist dies besonders gut möglich.

Babys nicht schreien lassen und Kleinkinder zur Selbstständigkeit ermutigen

Im Babyalter ist es bei der bedürfnisorientierten Erziehung besonders wichtig, das Baby nicht schreien zu lassen. Denn auf diese Weise (und meist auch bereits vorab) signalisiert es seine unerfüllten Bedürfnisse. Die Hilfe der Eltern ist überlebenswichtig. Wird das Schreien ignoriert, kann dies den Bindungsaufbau erheblich beeinflussen. Neben Nähe und Körperkontakt, Nahrung, Einschlafhilfe und frischen Windeln gehört auch Trost (z.B. bei Bauchschmerzen oder beim Zahnen) zu den wichtigen Dingen, die ein Baby benötigt.

Wenn größere Babys und Kleinkinder beginnen, Dinge selbst zu erkunden und auszuprobieren, ermutigen bedürfnisorientierte Eltern sie dabei. Sie lassen die Kinder entscheiden, was sie spielen möchten, und ermutigen sie, selbstständig zu sein, soweit es sicher ist.

Baby nicht schreien lassen attachment parenting
Beim attachment parenting sollen Babys nicht schreien gelassen werden. Wenn dein Baby durch seinen Schrei ein Bedürfnis oder Schmerzen zum Ausdruck bringt, solltest du es stets trösten und versorgen.

Vor- und Nachteile der bedürfnisorientierten Erziehung

Bei Erziehungsfragen gibt es verschiedene Ansichten. Je nachdem, aus welcher Perspektive du die bedürfnisorientierte Erziehung wahrnimmst, wirst du die vermeintlichen Vor- und Nachteile entsprechend unterschiedlich beurteilen. Daher listen wir nachfolgend einige Vor- und Nachteile als Gedankenanstoß auf, die in Hinblick auf attachment parenting bzw. bindungsorientierte Erziehung häufig genannt werden.

Vorteile von bindungsorientierter Erziehung

Als Vorteile werden oftmals die nachfolgenden Punkte gesehen:

  • Stärkung des Selbstbewusstseins: Durch das Verständnis und die Anerkennung ihrer Bedürfnisse fühlen sich Kinder wertgeschätzt und entwickeln dadurch ein starkes Selbstbewusstsein.
  • Emotionale Gesundheit: Bedürfnisorientierte Erziehung hilft Kindern dabei, ihre Emotionen zu verstehen und angemessen auszudrücken. Dies kann langfristig zu besserer emotionaler Gesundheit führen.
  • Vertrauensvolle Eltern-Kind-Beziehung: Die Anerkennung der Bedürfnisse schafft eine vertrauensvolle Bindung zwischen Eltern und Kindern. Kinder fühlen sich sicher und geborgen.
  • Selbstregulation: Kinder lernen, ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu regulieren. Dies ist eine wichtige Fähigkeit, die ihnen im Leben hilft.
Bindungsorientierte Erziehung Vorteile
Aus der bedürfnisorientierten Erziehung resultiert meist eine enge Bindung zwischen dem Kind und seinen Eltern. Sie stellt zugleich einen Grundpfeiler von attachment parenting dar.

Nachteile von bindungsorientierter Erziehung

Kritiker der bedürfnisorientierten Erziehung sehen speziell die nachfolgenden Aspekte als relevant:

  • Mögliche Verwöhnung: Wenn die Bedürfnisse eines Kindes ständig erfüllt werden, ohne angemessene Grenzen zu setzen, kann dies zu Verwöhnung führen und das Kind auf lange Sicht beeinträchtigen. Diese Kritik geht jedoch davon aus, dass keine Grenzen gesetzt werden, was bei der bedürfnisorientierten Beziehung normalerweise nicht vorgesehen ist.
  • Schwierige Entscheidungen: Es kann schwierig sein, zwischen den Bedürfnissen eines Kindes und den Notwendigkeiten des Alltags, wie beispielsweise Regeln oder Zeitmanagement, abzuwägen.
  • Gedulds- und zeitaufwendig: Es erfordert Zeit und Geduld, um die Bedürfnisse eines Kindes angemessen zu erfüllen. Nicht alle Eltern können diesen Zeitbedarf sowie die nötige Geduld aufbringen.
  • Überforderung der Eltern: Manchmal können Eltern das Gefühl haben, den Bedürfnissen ihrer Kinder nicht gerecht werden zu können, was zu Stress und Überforderung führen kann.
Bedürfnisorientierte Erziehung Geduld
Die bedürfnisorientierte Erziehung erfordert oft viel Geduld

Ursprung von attachment parenting (bedürfnisorientierter Erziehung)

Die bedürfnisorientierte Erziehung (attachment parenting) hat ihren Ursprung in den Ideen des amerikanischen Kinderarztes Dr. William Sears und seiner Frau Martha Sears. Sie entwickelten das Konzept in den 1980-er Jahren und veröffentlichten später ein Buch darüber. Ihre Grundidee von attachment parenting ist, dass Kinder eine sichere und enge Bindung zu ihren Eltern benötigen, um gesund und glücklich aufzuwachsen. Diese Bindung soll von Geburt an gefördert werden und während des gesamten Kindesalters aufrechterhalten bleiben. Dabei spielen speziell die nachfolgenden Prinzipien gem. des Ehepaars Sears eine wichtige Rolle:

  • Bedürfnisorientierte Betreuung: Eltern sollten sensibel auf die Bedürfnisse ihres Babys / Kindes reagieren. Dies beinhaltet in den ersten Lebensjahren das Tragen des Babys in einer Tragehilfe, das Stillen nach Bedarf und das Schlafen im Elternbett, wenn dies für die Familie funktioniert.
  • Körperkontakt: körperliche Nähe ist ein wesentlicher Teil des attachment parenting. Das Tragen des Babys in einer Babytrage oder das Kuscheln sind Wege, um diese Nähe zu fördern.
  • Stillen: das Stillen wird beim attachment parenting als wichtiger Aspekt der Bindung zwischen Mutter und Kind angesehen. Es wird empfohlen, das Kind nach Bedarf zu stillen, um eine enge Verbindung herzustellen.
  • Familienbett: um auch die nächtliche Bindung zwischen Eltern und Kind zu fördern, wird das Schlafen im selben Bett oder mit einem Beistellbett empfohlen.
  • Respekt vor dem Kind: insbesondere Respekt vor den Bedürfnissen und Gefühlen des Kindes. Eltern werden ermutigt, auf ihre Intuition zu hören und auf sanfte Weise zu erziehen.

Der Ursprung von attachment parenting liegt also in der Idee, dass eine enge und sichere Bindung zwischen Eltern und Kindern die emotionale und psychologische Entwicklung der Kinder positiv beeinflusst. Dieser Erziehungsansatz betont die Bedeutung des liebevollen Umgangs mit Kindern und das Verständnis für ihre individuellen Bedürfnisse.

Attachment parenting stillen
Bonding und stillen gehören zu den Grundelementen von attachment parenting, die speziell in den ersten Lebensmonaten eine hohe Relevanz erhalten

Sprüche zur bedürfnisorientierten Erziehung

Oft machen Zitate und Sprüche ein komplexes Thema verständlicher. Daher haben wir nachfolgend einige Sprüche gesammelt, die die bedürfnisorientierte Erziehung verdeutlichen.

„Erziehung ist eine Kunst der Liebe und Geduld.“ (Hermann Hesse, Nobelpreisträger für Literatur)

„Das Beste, was Eltern für ihre Kinder tun können, ist, sie bedingungslos zu lieben und ihre Bedürfnisse zu respektieren.“ (Henry Ward Beecher, US-amerikanischer Prediger und Autor)

„Bedürfnisorientierte Erziehung bedeutet, die Welt mit den Augen des Kindes zu sehen.“ (unbekannter Autor)

„Die stärkste Bindung, die ein Kind haben kann, ist die zu seinen Eltern.“ (John Bowlby, britischer Kinderarzt und Kinderpsychiater)

„Bindungsorientierte Erziehung bedeutet, dass wir unsere Kinder in ihren Höhen und Tiefen begleiten und ihnen zeigen, dass wir immer für sie da sind.“ (unbekannter Autor)

„Attachment Parenting ist mehr als nur eine Erziehungsmethode; es ist eine Lebenseinstellung, die auf Liebe und Achtsamkeit basiert.“ (Dr. William Sears, US-amerikanischer Kinderarzt)

Bedürfnisorientierte Erziehung Sprüche
Dich in die Bedürfnisse des Kindes hineinversetzen und die Welt mit seinen Augen sehen: dies ist das Kernelement der bedürfnisorientierten Erziehung

Unser Fazit: Wie leicht lässt sich bindungsorientierte Erziehung im Alltag umsetzen?

Aus unserer Erfahrung ist ein bindungsorientierter Erziehungsansatz es in jedem Fall wert, einmal ausprobiert zu werden. Auch wenn Geduld und Zeit zur Erkennung und Erfüllung der kindlichen Bedürfnisse im Alltag nicht immer leicht aufzubringen sind, lohnt es sich aus unserer Sicht, in eine starke Eltern-Kind-Bindung zu „investieren“. Dabei dient die bedürfnisorientierte Erziehung ebenso wie andere Erziehungsformen letztlich als Inspiration. Was du davon ausprobieren und dauerhaft umsetzen möchtest, entscheidest du natürlich selbst. Dies dürfen auch einzelne Bestandteile sein, die du mit anderen Ansätzen kombinierst, um den idealen Weg für deine Familie zu finden.

Mit einer bindungsorientierten Erziehung gehst du aus unserer Erfahrung nicht immer den einfachsten Weg. Wenn du selbst eher autoritäre Erziehungsmuster kennengelernt hast, sind diese oft tief verankert. Instinktiv wenden wir meist Sätze und Erziehungsmethoden an, die wir selbst in der Kindheit erlebt haben. Unser Verhalten und unsere Kommunikation umzustellen, fällt dann insbesondere zu Beginn oft schwer. Die Kommunikation erfolgt oft aus dem Affekt heraus. Um bedürfnisorientiert zu handeln und zu kommunizieren, erfordert es dann mehr Anstrengung und Aufmerksamkeit.

Hinzukommt, dass „Erpressungen“ (u.a. Wenn-Dann-Sätze) und angstbasierte Formulierungen (z.B. „sonst gehe ich ohne dich“) oft einfach und wirkungsvoll sind. Da sie im Alltag oft schnellen Erfolg bringen, sind sie bei Eltern beliebt. Und das ist verständlich. Immerhin ist der Elternalltag oft anstrengend und stressig. Um langfristig eine intensivere und letztlich bessere Bindung zum eigenen Kind aufzubauen, lohnt es sich aus unserer Erfahrung jedoch, die Zeit und Mühe zu investieren und bedürfnisorientiert zu handeln.

Wie sind deine Erfahrungen zur bedürfnisorientierten Erziehung? Wenn es Erfahrungswerte gibt, die du gerne teilen möchtest, kannst du unter dem Beitrag gerne einen Kommentar hinterlassen. Auch Fragen zu dieser Erziehungsform kannst du im Kommentarfeld gerne stellen.

Alles Liebe und eine schöne Familienzeit wünschen dir

Jenny & Christian

Quellen und weiterführende Literatur / Empfehlungen zur bedürfnisorientierten Erziehung

Zur Erstellung dieses Beitrags haben wir neben eigenen Erfahrungen umfassend recherchiert. Folgende Literatur und Expertenmeinungen sind hierbei eingeflossen:

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Wir sind Jenny und Christian, die Eltern von zwei waschechten Schaberköpfen. Seit wir 2019 zum ersten Mal Eltern geworden sind, dreht sich unsere Welt ums Familienleben. Bei schaberkopf.de teilen wir unsere Erfahrungen und Tipps für den Familienalltag.

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